Gestern haben wir 15 Kilometer geschafft und keine Schäden davongetragen. Flüsse blasenfrei, Schultern unter den Rucksackriemen ok, also alles gut. Die heutige Etappe hatten wir nur grob geplant. Wir dachten, es werden ebenfalls wieder 15 km. Dass es am Ende über 22 Kilometer waren – geschenkt.

Nach einem leckeren Frühstück im Landgasthof Scheit sind wir in Niederwillingen auf dem Pilgerweg in Richtung Griesheim gestartet. In dieser Nacht hatten wir übrigens wie tot geschlafen. Selbst die grässlichen Schlager, die auf der großen Geburtstagsfeier unten im Saal gespielt wurden, konnten uns nicht am Tiefschlaf hindern.

Wir starteten leicht bergauf. Hinter dem Ort biegt ein Feldweg von der Straße ab, der vorbei an Obstbäumen und Feldern auf einen Hügel führt. Von hier aus hatten wir einen phantastischen Blick in die Weite des Ilmtales.

Blütenstaub überall

Ein Phänomen ist uns heute gleich aufgefallen: Selbst aus weit entfernten Höhenzügen stieg gelber Nebel auf. Tausende Kiefern und Fichten stehen zur Zeit in voller Blüte; der Blütenstaub bildet riesige Nebelschwaden und setzt sich überall hin. Auf die Brille, auf die Kamera, auf den Rucksack und auf die Hose.

Radweg. Nicht so toll zu Fuß

Die nächsten zwei Kilometer verliefen auf dem kerzegeraden asphaltierten Radweg durch das Ilmtal bis nach Griesheim. Toll mit dem Rad; nicht perfekt zu Fuß. Aber was solls, da muss der Pilger durch. In Griesheim sind wir entgegen der ausgeschilderten Route gleich links abgebogen, um nicht weiter auf Asphalt zu laufen.

Der Singer Berg

Nun ging es wieder einen Feldweg bis auf den Singer Berg. Eigentlich wollten wir diesen markanten Berg, den man selbst von der Autobahn bei Erfurt aus sieht, umgehen. Ein Hinweisschild mit dem Versprechen der phantastischen Aussicht hat uns aber doch auf den Gipfel gelockt. Es ging ganz schön bergauf. Dafür hat das mit der Aussicht aber gepasst. Auf dem Gipfel gibt es eine Schutzhütte und einige Bänke.

Die Aussicht ist wirklich toll.

An einem sonnigen Frühlingstag wie heute liegt schon der sommerliche Duft nach Kiefern in der Luft; der ideale Platz für eine kleine Mittagsrast. Übrigens immer noch Eibrote, Tomaten und Radieschen.

Der Abstieg vom Berg führte uns in das Dörfchen Singen.

Überall auf der Strecke gibt es immer nur kleine Dörfchen mit wenigen hundert Einwohnern.

Das besondere an Singen ist eine kleine Brauereigaststätte. Weil aber gerade eine Reisegruppe mit 50 Leuten zu Gast war, hätten wird laut Aussagetes mindesten eine Stunde warten müssen, um eine Suppe zu bekommen. Also liefen wir doch lieber weiter, in Paulinzella gibt es ja auch wieder eine Gaststätte.

An einem lustigen Pferd vorbei ging es über sonnige Wiesen bis an des Rand eines sehr großen Waldes.

Der Gary hier im Wald?

Kurz vor dem Waldrand klingelte das Telefon und mein Freund Gary aus Erfurt war an der Strippe: „Seid ihr schon in Paulinzella?“

Hä? Ich wunderte mich. Die Aufklärung war einfach. Der passionierte Radfahrer Gary (er hat übrigens seinen eigenen Radtouren-Blog auf https://radtourarchiv. tumblr.com) hat sich durch unseren Beitrag vom ersten Pilgertag animieren lassen, mal kurz eine Radtour nach Paulinzella zu unternehmen. Das kannte Gary nämlich noch nicht.

Also haben wir uns eine knappe Stunde später dort getroffen.

Gary war schon startklar für die Rücktour nach Erfurt. Nach einer kurzen Plauderei verabschiedeten wir uns in der Hoffnung auf eine Tasse Kaffee und ein Süppchen in der Museumsgaststätte in Paulinzella.

Kaffee und Suppe Mangelware

Leider wurden wir enttäuscht. Nix Kaffee. Keine Suppe. Die Gaststätte wartet seit einiger Zeit auf einen neuen Betreiber. Hat vielleicht jemand von euch Lust dazu?

Naja und das Kloster ist zur Zeit mit Bauzäunen abgesperrt, es sind einige Sanierungsarbeiten notwendig.

Aber eine Lösung gibt es immer, wenn man sich ohne Kaffee durch den Tag und durch den Wald schleppen will. Fußbad! Nach einer Minute im eiskalten Wasser ist die Müdigkeit wie weggeblasen. Dachte der Uwe.

Jeder Kneipp-Profi weiß aber, daß das Gegenteil zutrifft. Füße im kalten Wasser machen müde, die Arme hätten in den Bach gehört, um munter zu werden. Also würde ich auch nicht munterer.

Kräuterzeit

Inzwischen hatte wir 15 Kilometer geschafft, bis Rottenbach fehlten noch 7,5 km. OK, ist trotz Müdigkeit machbar.

Auf dem Wege trafen wir eine Frau beim Kräutersammeln. Sie erzählte uns, daß sie immer die aktuellen Kräutlein für einen Kräutertee sucht. Heute waren es gelbe und rote Taubnesseln, die den Weg in ihren Korb gefunden hatten.

Das erinnerte uns daran, daß wir inzwischen im sogenannten Olitätenland unterwegs waren. Dieses Gebiet zwischen Oberweißbach und Königssee ist seit vielen hundert Jahren für seine Auszüge und Tinkturen aus den einheimischen Kräutern berühmt.

Wenn der Weg an eine Schwarzwälder Kirschtorte endet

Jetzt ging es auf einem wirklich schönen Weg an dem Minidorf Milbitz vorbei in Richtung Rottenbach.

Wer hier noch auf einen Kaffee zu hoffen wagte, wurde enttäuscht. Es gibt da nix. Die Erschöpfung zeichnete inzwischen deutliche Falten ins geplagte Pilgergesicht.

Nach 22,15 Kilometern hatten wir das Gästehaus Stein erreicht. Anstatt des gebuchten Zimmers erhielten wir eine Upgrade auf eine sehr schöne kleine Ferienwohnung, wunderbar. Als erstes fragte ich – ganz der alte Kaffeejunkie – die Vermieterin Frau Stein, wo wir hier noch einen Kaffee bekommen könnten.

Die Antwort war super: „Wir haben bestimmt noch Kaffee in der Kanne. Und ein Stück Kuchen oder Torte kann ich Ihnen auch noch anbieten.“

Das war unsere Freude groß und die Erschöpfung vergessen!

Die Rettung: Schwarzwälder Kirsch und Kaffee im Gästehaus Stein.

Der riesige Garten am Haus mit jeder Menge gemütlicher Sitzmöglichkeiten hielt noch einige Überraschungen bereit.

Ein Hängebauchschwein namens Kevin, zwei Ziegen und ein riesiger Teich beschäftigten uns noch ein Weilchen.

Sabine hat gleich noch ein paar Kräuter für den Abendbrot-Tee gesammelt.

Fazit des zweiten Tages

Es macht Spaß. Manchmal ist es ein bisschen anstrengend, aber im Großen und Ganzen funktioniert der Körper auch mit 12 Kilo Gepäck zuverlässig.

Der Geist beruhigt sich. Wichtige Dinge sind auf einmal das Wetter, der Zustand der Füße und das Magenknurren.

Wer längere Strecken durch die Welt wandert, sollte Essen dabei haben. Da, wo du vor zwei Jahren noch eine Suppe gelöffelt hast, kann der Wirt heute längst das Weite gesucht haben. Und glaube ja nicht, daß du in jedem Dorf einen Kaffee bekommst. Das ist leider nicht so.

Wenn du viele Menschen kennenlernen willst, bist du auf Pilgerpfaden in Thüringen verkehrt. Eventuell überholt dich ein Radfahrer. Wanderer, Pilgerer oder andere des Waldes und des Weges kundige Menschen wirst du kaum treffen.

Navigation mit dem Handy klappt hervorragend. Vorausgesetzt, du hast ein Akkupack und mindestens zwei Apps mit Offline-Karten. Du lernst es, Geduld zu haben. Du verzichtest freiwillig darauf, deine Mails zu checken. Und das ist gut so.

Fotografieren bleibt ein Spaß, wenn die Kamera nicht unbedingt die Spiegelreflex mit dem lichtstarken 600 Gramm schweren Sigma-Objektiv ist. Da kann ich eine tolle Kleine von Sony empfehlen.

Die Idee, eine Drohne mitzuschleppen, mit der du noch nicht mal einen Probeflug gemacht hast, ist ziemlich blöd. Erstens wiegt sie mit Zubehör ein knappes Kilo. Zweitens hast du nicht so oft wirklich Lust, die Drohne unterwegs mühsam aus den Tiefen des Rucksacks zu holen. Wenn du dann auf dem Handymonitor sowieso nichts erkennst, ist das logisch. Schließlich hast du ja selber das perfekte sonnige Wanderwetter beim Universum bestellt.

Das wars für heute.

Ich schreibe jetzt schon seit 20.20 Uhr, inzwischen ist es 22.36 Uhr.

Dabei habe ich das Foto von der Morcheln vergessen und das Froschkonzert noch gar nicht erwähnt. Hm.

Die Idee, unterwegs zu bloggen, ist nicht schlecht. Ab und zu auch ein bisschen anstrengend. Aber ich ziehe das jetzt durch.

Gute Nacht!

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